2017
    Ausstellung "Bis jetzt ging alles ganz gut"
    Borgo Ensemble | Nürnberg




    Punk, Grunge, Neopop und Expression – gemalt, projiziert und collagiert auf Holz, Karton, Keilrahmen und Ponchos. Der Maler Cris Koch lässt Werke aus den vergangenen zehn Jahren miteinander in Dialog treten.

    Das im ehemaligen Porsche-Autohaus residierende Borgo Ensemble für Kunst und Freundschaft zeigt vorerst bis zum 27. Mai 2017 Arbeiten des Künstlers Cris Koch. Der Absolvent der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg präsentiert einen Werkausschnitt der vergangenen Dekade, die der Künstler zwischen Budapest, Berlin und Nürnberg malend verbracht hat.

    Die, in der zu Recht als „kleine Kathedrale“ bezeichneten Ausstellungsfläche, über- und nebeneinander gehangenen Malereien fügen sich zu einer stimmigen Gesamtkomposition: Grunge trifft auf Neopop. Inhalt findet Expression. Dabei reizt Koch die Möglichkeiten der Pop Art nicht nur aus, vielmehr überführt er sie und schafft eine über sie hinausgehende Gegenwelt. Das Triviale und die gewohnt schillernden Figuren werden verzerrt oder durch subkulturelle Ikonen aus dem Punk und dem Grunge zwar poppig inszeniert, aber sie sind doch zugleich düster und abgründig. Dadurch eröffnet Koch auch einen Blick hinter die Oberfläche und somit hinter das Oberflächliche. So rücken beispielsweise in der Serie „Konstruktion“ die Bildrückseite und der Rahmen ins Zentrum. Die Zerlegung des Bildraums bietet ihm die Grundlage für seine Neukonstruktion. Die Umkehrung ist ein wesentliches Prinzip seines Schaffens.

    Dabei verwendet Koch nicht nur unterschiedlichste Techniken – wie die Acryl-, Lack- und Papiercollagen, die Projektion, die Grafik und reine Malerei – er spannt auch thematisch einen umfassenden Bogen. Das wiederkehrende Motiv Cthulhu, ein interstellarer Tintenfischgott, der das Böse und die Sünde symbolisiert, gilt ihm als Gegenstück der irdischen Religionen, die letztlich ohne ihn nicht sein können. Zugleich verweist diese mythologische Figur auch auf die Vergänglichkeit und die Sehnsucht nach dem Fremden. Anderenorts wird Kochs Leidenschaft für die Musik in seinen Werken deutlich sicht- und spürbar. Ständig „on the edge“, wie der Künstler selbst. Unverkennbar ist auch Kochs Handschrift als Schriftsetzer und Drucker: Immer wieder streut der Maler mitunter ironische Textfragmente in seine Bilderwelten ein. Die Texte zerfallen zu Bits und Bytes und verlieren dabei doch nur scheinbar ihren Inhalt. Sie bleiben kryptische Verweise, die zur Entschlüsselung provozieren und Teil einer funktionierenden Symbiose sind.

    Der Künstler seziert seine Umwelt, setzt sich kritisch mit ihr auseinander und zeigt Haltung, ohne dabei belehrend oder aufdringlich zu sein und seinen Witz und Wahn zu verlieren. Etwa in der Serie „1/0“: Hier hinterfragt Koch das Verhältnis von Mensch zu Technik und malt spielerisch einen vielschichtigen Entwurf des Homo digitalis. Das Verhältnis von Mensch zu Mensch wird bereits in der frühesten Malerei aus den Budapester Jahren thematisiert. Die im Jahr 2005 entstandene Malerei „Fe/male“ nimmt eine zentrale Stellung in seinem Werk ein und gilt als unverkäuflich. Ein rudimentär gemaltes, formal zusammengehörendes Menschenpaar, ist sich letztlich doch einander fremd und körperlich distanziert – es scheut den gemeinsamen Blick. Beide existieren nebeneinander her, ohne sich in ihrer Andersartigkeit zu erfassen.

    Die mal schrillen, mal makabren, mal pointierten, immer aber den Punk verkörpernden Malereien umrahmen zwei raumgreifende Installationen des Künstlers. Der in den Jahren 2010 in der Ausstellung "343 m/s" im Museum Villa Stuck in München und 2013 in der Galerie Kunstblitz in Berlin gezeigte "THE SILENT CLUB" wird neu arrangiert. Die Installationen fordern den Besucher zur direkten Interaktion auf – bis jetzt ging alles ganz gut…!

    Paulina Kasprzyk (Kunsthistorikerin) &
    Poljak Wlassowetz (Schriftsteller) | Berlin 2017







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